Frühling lässt sein blaues Band, wie einst Möricke bemerkte

Es hat sich scheinbar herumgesprochen: Langsam ist der Frühling unumgänglich. Außer, dass ab und an die Sonne auch mal etwas länger scheint und es warm ist, steigt die Stimmung. Selbst die unerbitterlichsten Aufsichten lassen die Türen auch mal wieder öffnen, wenn Umsteiger die Treppen hochgestürzt kommen, und sogar die Ansage, dass der Zug nach Oranienburg voraussichtlich sieben Minuten Verspätung hat, wird nicht gebrubbelt, sondern freundlich beschwingt angesagt und sich anschließend sogar um Verständnis gebeten. Wer sagt da nicht nein?
Im Ernst: Alles blüht auf und sogar im Bahnfahreralltag ist dies zu merken. Die angestrengte Hektik setzt einmal kurz aus und es wird nicht sofort gemeckert, wenn der Anschluss doch weggefahren ist. Dafür wird man auch reichlich belohnt, wenn man z. B. auf der Wannseebahn an langen violetten Fliederhecken vorbeifährt und die Biotope neben den Gleisen in frischem Grün strahlen. Der Lebensraum Bahn erwacht wieder zu neuem Leben.

Alle Räder stehen still

Es scheint, als herrsche ein kleines bisschen Chaos. In der Zeitung scheint es immer etwas entrückt zu sein, aber sobald man dann selbst einmal betroffen ist, merkt man, worum es eigentlich geht.
Dass man bereits zweimal zuvor wegen Notarzteinsätzen ewig warten musste, damit haben die S-Bahner natürlich nichts am Hut, vor allem, wenn es sowieso in der U-Bahn war. Beim Umsteigen in Jungfernheide lauert aber die nächste Enttäuschung: Ein verwaister Bahnhof und die Information „Zugverkehr unterbrochen“. Ärgerlich. Aber lohnt sich Ärger hier?
Die S-Bahner arbeiten derzeit ohne Tarifvertrag. Durch die Kürzungen der Zuschüsse seitens des Senates, die an die englische Formulierung „reverse hijacking“ erinnert, musste ein neuer Tarfifvertrag ausgehandelt werden. Wenn der zweite Versuch scheitert, kann man den Unmut verstehen. Andererseits hat auch die S-Bahn Berlin GmbH selbst das Spagat zu schaffen, mit weniger Geld den gleichen Betrieb aufrecht zu erhalten. Eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ist daher grundsätzlich auch verständlich.
Ob ein Schimpfen auf die Scheiß-S-Bahn also Sinn hat, sollte jeder selbst urteilen. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man nicht vom Fleck kommt, aber so merkt man erst einmal, wie wichtig die S-Bahn für die Stadt ist. Eine ausgeglichene Lösung ist also mehr als wichtig. Oder soll es beim Streik bleiben?

Weitere Infos:
Der Tagesspiegel vom 23. 04. 2004
Pressemitteilung der S-Bahn Berlin GmbH vom 21. 04. 2004

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