Zeit für die Nachtigall

Vor drei Jahren hörte ich zum ersten Mal am Bahnsteig F des Ostkreuzes eine Nachtigall singen. Am Rand eines der belebtesten und verkehrsreichsten Orte Berlins. Es war wirklich eindrucksvoll.
Anfang Juni dieses Jahres war es wieder so: nicht nur in der idyllischen Abgeschiedenheit hinter dem kleinen Wäldchen auf Bahnsteig A, sondern auch direkt unten am Bahnsteig D konnte man den laut trällernden und schlagenden Gesang einer Nachtigall hören. Nachts genauso wie am hellichten Tag.

Frühling lässt sein blaues Band, wie einst Möricke bemerkte

Es hat sich scheinbar herumgesprochen: Langsam ist der Frühling unumgänglich. Außer, dass ab und an die Sonne auch mal etwas länger scheint und es warm ist, steigt die Stimmung. Selbst die unerbitterlichsten Aufsichten lassen die Türen auch mal wieder öffnen, wenn Umsteiger die Treppen hochgestürzt kommen, und sogar die Ansage, dass der Zug nach Oranienburg voraussichtlich sieben Minuten Verspätung hat, wird nicht gebrubbelt, sondern freundlich beschwingt angesagt und sich anschließend sogar um Verständnis gebeten. Wer sagt da nicht nein?
Im Ernst: Alles blüht auf und sogar im Bahnfahreralltag ist dies zu merken. Die angestrengte Hektik setzt einmal kurz aus und es wird nicht sofort gemeckert, wenn der Anschluss doch weggefahren ist. Dafür wird man auch reichlich belohnt, wenn man z. B. auf der Wannseebahn an langen violetten Fliederhecken vorbeifährt und die Biotope neben den Gleisen in frischem Grün strahlen. Der Lebensraum Bahn erwacht wieder zu neuem Leben.

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